Kurzfristig hatte der Kreisverband der Grünen zu einer Infoveranstaltung in den Riesby-Krog nach Rieseby geladen. Einen Tag zuvor wurde der Auftritt ihres Parteikollegen und Chef der Staatskanzlei Thomas Losse-Müller erst in der Tagespresse bekannt gegeben. Nichtsdestotrotz formierte sich relativ schnell der Widerstand und Aktivisten aus Schwansen trafen sich, um an der öffentlichen Veranstaltung teilzunehmen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Restaurants tauchten plötzlich gelbe Protestbanner auf. Viele Menschen trugen T-Shirts über ihren Jacken auf denen die Aufschrift „STOPPT DEN WINDWAHN“ zu lesen war. Der Staatssekretär ließ sich von seinem Fahrer relativ früh vorfahren. Und er wagte die Flucht nach vorne. Gemeinsam mit dem Direktkandidaten der Grünen im Wahlkreis 8, Joschka Knuth, ging er auf die etwa 20köpfige Gruppe zu und begrüßte jeden mit Handschlag. Die Presse war bereits mit zwei Redakteuren anwesend. Als Riesebys Bauausschussvorsitzender Heino Stüve (SPD) den Gehweg Richtung Eingang nahm, wurde es laut. Trillerpfeifenlärm durchdrang die abendliche Ruhe in Rieseby. Stüve ist ehemaliger VERDI-Gewerkschaftssekretär und dürfte derartige Proteste kennen, nur eben von der anderen Seite.
Die Veranstaltung fand im Saal des Kroges statt und anwesend waren nun etwa 30 bekennende Windkraftkritiker und etwa 10 Anhänger der Grünen, 2 SPD-Gemeindevertreter, 2 Gemeindevertreter der Wählergemeinschaft und ein zwei Erbfolger eines Landeigentümers, auf dessen Besitz 200m hohe Windkraftanlagen geplant sind sowie ein Betreiber des durch die skandalösen Umstände seiner Bebauung bundesweit bekannt gewordenen Windparks in Loose. Riesebys Bürgermeister Jens Kolls stieß etwas später zur Veranstaltung dazu.
Joschka Knuth eröffnete den Abend und hieß alle herzlich willkommen. Er machte deutlich, dass es an dem Abend um Informationen gehen solle und es keine politische Veranstaltung werden solle. Das klang durchaus sympathisch. Er überließ sodann dem „Thomas“ die Bühne.
Nun folgte der gleiche Vortrag, den Herr Losse-Müller momentan in allen Gemeinden hält, die ihn noch hören wollen. Selbstverständlich wird immer wieder erwähnt, dass es sich mit dem Anhörungsverfahren zu den ausgewiesenen Windvorrangflächen um die größte Bürgerbeteiligung handelt, die es in Schleswig-Holstein je gegeben hätte.
Auf seinen Folien zeigte er immer wieder Forderungen von Windkraftkritikern und versuchte deutlich zu machen, warum diese nicht umsetzbar seien.
Die Zuschauer hielten zumeist geduldig inne. Im Anschluss an seinen Vortrag durften Fragen gestellt werden. Und man hatte in Rieseby reichlich Fragen. Natürlich ist der Chef der Staatskanzlei eingespielt und auf die meisten Fragen gut vorbereitet.
Er räumte ein, dass es im Bereich des Naturschutzes Zugeständnisse geben musste, da man ansonsten nicht auf die 2% der zu bebauenden Landesfläche mit Windkraft käme. Immer wieder baute er seine Antworten und Argumente auf diese 2% auf. Immer wieder bezog er sich auf die festgelegten Abwägungskriterien sowie weichen Tabukriterien.
Und damit machte er genau das Gegenteil von dem, was sein Parteifreund Joscka Knuth zu Beginn vorgab, er betrieb nämlich Politik im Sinne der Landesregierung. Denn die 2% sind ein politisches Ziel der Regierung in Kiel aus Grünen, SSW und SPD! Ebenso wurden durch ihn und seine Kollegen die so genannten Abwägungskriterien festgelegt bzw. weiche Tabukriterien zu Abwägungskriterien heruntergestuft. Die Empfehlung der eigenen Vogelschutzwarte im LLUR in Flintbek im „Neuen Helgoländer Papier“ wurde mit dieser Planung konterkariert. Als Beispiel ist hier die Herabstufung zum Abwägungskriterium des Abstandes von Seeadlerhorsten von 3km bzw. 6km Prüfbereich zu Windkraftanlagen zu nennen. So etwas bringt die grüne Seele zum Überkochen!
Wobei Losse-Müller nun ganz klar deutlich machte, dass mindestens 2% der Landesfläche benötigt würden, um die Energiewende umzusetzen und damit den Klimawandel zu stoppen. Da müsse man eben auch in Sachen Naturschutz abwägen. Auch hier vergaß er zu erwähnen, dass dies die Meinung der Landesregierung und somit auch der Grünen sei und diese politische Entscheidung nicht etwa als wissenschaftlich erwiesene These gilt.
In seinen Folien versuchte er auch die Forderung 10-H in der Umsetzung als nicht durchführbar darzustellen. In seiner Darstellung konnte er selbstverständlich auch hier nur die vorgegebene Referenzanlage von 150m zu Grunde legen. Es blieben bei einem 1.500m Abstand lediglich ein paar wenige Flächen in Schleswig-Holstein übrig und viele Bestandsanlagen müssten abgebaut werden. Nun gut, dass es keine gesetzliche Regelung darüber geben wird, bestehende Windkraftanlagen dem Erdboden gleich zu machen, dürfte auch ihm klar sein und wurde bei der überwiegenden Anzahl von Zuhörern lediglich als Ausrutscher oder nutzlose Propaganda aufgefasst.
Selbstverständlich kommt an dieser Stelle immer der Vergleich mit Bayern und man merkt bei Albig, Habeck und auch an diesem Abend bei Herrn Losse-Müller, dass sie innerlich genervt sind, wenn Herr Seehofer ins Spiel gebracht wird, welcher dem Vernehmen nach seine Bürger besser schützt und dem die Gesundheit seiner Bürger bzw. der Erhalt der Natur- und Kulturlandschaft Bayerns mehr wert ist, als den verantwortlichen Politikern Schleswig-Holsteins. Wenn dann nach einer 10-H-Regelung nur wenig Flächen in S-H übrig blieben, dann ist das eben so! Die Gesundheit und die Lebensqualität der Bürger müssen Vorrang vor den politischen Zielen der Grünen, der SPD und des SSW haben!
Losse-Müller machte nun deutlich, dass Schleswig-Holstein in absehbarer Zeit unterginge und die Klimakatastrophe nahen würde, sollte man überall die 10-H-Regelung einführen.
Ein Zuhörer gab zu verstehen, dass wir in Deutschland doch lediglich einen minimalen Beitrag zum Klimaschutz leisten könnten. Herr Losse-Müller machte nun einen Ausflug nach China, wo momentan massiv auf den Ausbau der Windkraft gesetzt würde. Konnte er mit nicht belegbaren Argumenten vorab noch der Frage nach der Speicherung von Windstrom aus dem Weg gehen, in dem er „power to gas“ und ähnliches in den Raum schmiss, wurde es bei der Aussage aus dem Publikum, dass auch in China der Windstrom nicht bezahlbar speicherbar sei und auch der Wind selbst dort eben nicht immer wehe, etwas unangenehm für den Staatssekretär. Das vorgebrachte Argument, dass von der Politik unabhängige Wissenschaftler das Problem seit vielen Jahren aussprechen, prallte bei ihm auf taube Ohren, denn es gäbe aus seiner Sicht ebenso viele Wissenschaftler, die das Gegenteil beweisen.
Aus dem Publikum kamen viele gute Beiträge, teilweise emotional, aber überwiegend sehr sachlich.
Mehrere Zuhörer gaben deutlich zu verstehen, dass sie seit Jahrzehnten SPD-Mitglied seien bzw. immer schon grün oder rot gewählt hätten, diese Phase des Lebens nun aber vorbei sei. So stellte sich beispielsweise Uschi Fröhler aus Waabs (Halbinsel Schwansen) als „Noch-SPD-Mitglied“ vor und versuchte den Grünen deutlich zu machen, dass es in unserer Region reichlich rumort und die Landtagswahl für die Grünen und Sozialdemokraten in einem Desaster enden würde, wenn man den eingeschlagenen Weg nicht umgehend ändern würde. Eine solche Äußerung tut weh. Wenn man von altgedienten Genossen plötzlich derartig attackiert wird, verursacht dies nicht gerade ein Glücksgefühl in der Magengegend.
Christine Scheller von den Riesebyer Grünen machte ihre Sicht der Dinge deutlich und beschrieb die in ihrer Nachbarschaft befindliche Windkraftanlage in Krieseby zwar bei gewissen Windrichtungen als lärmend, aber letztendlich als ästhetisch. Man gewöhne sich außerdem an die Geräuschbelästigung und Wahrnehmungen in Bezug auf Windkraftanlagen seien stets subjektiv.
Es ist wichtig an dieser Stelle anzumerken, dass die WKA in Krieseby etwa 40m hoch ist. Die geplanten Anlagen in Rieseby sollen 235m über NN stehen. 2006 verendete einer unserer Seeadler an der Kriesebyer WKA, weil er in die Rotorblätter flog.
Zwei Grüne machten noch zwei interessante Anmerkungen:
Der eine echauffierte sich darüber, dass die Landeigentümer und Vorhabenträger dermaßen viel Geld verdienen, der andere wünschte sich eine Ausgleichszahlung für jene, die durch eine so dichte Bebauung an ihre Häuser leiden müssten.
Da kam sie endlich, die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit! Und ich hatte schon gedacht, ich wäre bei einer ganz anderen Partei gelandet!
Insgesamt kann man die Veranstaltung allemal als misslungene Wahlwerbeveranstaltung der Grünen betrachten. Für die Regierenden dürfte klar geworden sein, dass es ohne Protest in Gelb keine Werbeveranstaltungen für den sinnlosen und zerstörerischen Ausbau mit Windkraftanlagen in unserer Region geben wird.